von Reiner Büchtmann
Regel Nummer eins: Nimm eine Taschenlampe mit. Regel Nummer zwei: Bereite alle darauf vor, dass es noch eine Weile dauert, bis man den Schlüssel im Ferienhaus umdrehen kann, denn erst muss man es ja finden. Regel Nummer drei: Habe Nudeln, Tomatensoße und Rotwein dabei, und fange gleich, nachdem du mit der Taschenlampe den Hauptstromschalter gefunden hast, mit dem Kochen an.
Dann sind alle glücklich, und du kannst, wenn die Kinder im Bett sind, den Rest erledigen: Den Warmwasserspeicher auf die höchste Stufe stellen, die Kühlkombination hochfahren, den Kaminofen anzünden, nachgucken, was man alles doch nicht mehr einkaufen muss, und den Tisch für das Frühstück decken.
Denn am nächsten Morgen wollen die Kleinen so schnell wie möglich an den Strand. Egal, ob Sonne scheint oder Regen fällt: Es ist nur wichtig, dass du alles dabei hast. Den Ball und die Schaufel, die Strandmuschel und die Regenkleidung, die kurze Hose und die Gummistiefel. Es ist egal, denn du bist in einem dänischen Ferienhaus an der jütländischen Nordseeküste.
Wir haben die erste Regel außer Acht gelassen, und ich habe zehn Minuten lang versucht, die Schnelle Sabine am Handy zu erreichen, dass sie wohl noch im Auto liegen hatte. Nachdem sie endlich zurückgerufen und mir den Weg zum Haus Tornevej 6 in Nørre Vorupør erklärt hat, finde ich sie mit Streichhölzern nach dem Hauptschalter suchend vor, dabei ist gerade so ein prächtiger Sonnenuntergang gewesen. Meine Frau wird von den Kindern unterdessen zur „Langsamen Sabine“ erklärt, weil wir als zweiter Sieger ankommen.
Ein freundlicher Nachbar hilft mit einer Taschenlampe – der Schalter findet sich im hintersten Schrank des Kinderzimmers. Doch Essen haben wir dabei, und Zeit für einen Saunagang haben wir auch noch. Es ist das letzte Oktoberwochenende, jetzt sind die Ferienhäuser richtig billig. Unsere zwei Familien haben sich zusammengetan, weil wir endlich einmal mehr Zeit füreinander haben möchten als an den Kochabenden, an denen man gerade zu einem schönen Gespräch gefunden hat, wenn die Kinder ins Bett müssen und man selber hundemüde vom Alltag ist.
Nørre Vorupør haben wir ausgesucht, weil es einen romantischen Naturhafen besitzt, weil die Dünenlandschaft der Halbinsel Thy noch nicht so überlaufen ist, und weil uns das Haus gefallen hat: 300 Meter vom Strand, mitten in den Dünen und mit Meeresblick vom Wohnzimmer im ersten Stock. Die große Wohnküche mit familienfreundlichen Wasch-, Trockner- und Geschirrspülmaschinen, der Kamin und die Sauna mit Whirlpool sind ideal, besonders, wenn man durchgefrorene Kleine schnell wieder auf Temperatur bringen muss und die Jungen ihr schmutziges Zeug im ganzen Haus verteilt haben.
Ich habe mir ausbedungen, jeden Tag für alle zu kochen und genieße mit Rührung, wie die vier Kleinen und die vier Großen eine Weile beinahe still werden und andächtig schmatzen und schlürfen. Fast möchte ich Peter Einhalt gebieten, der seinem Sohn verbieten will, sich den Teller randvoll zu schaufeln, so sehr liebe ich es, wenn sie alles in kurzer Zeit vernichten, woran ich eine Stunde gearbeitet habe. Allerdings: Putzen und waschen tun die Sabinen, und den Kaminofen hält Peter am Laufen.